Vor etwas mehr als einem Jahr nun, haben wir uns "ge-outet" und uns zu unserer Sucht öffentlich bekannt. Es ist bei weitem keine Besserung in Sicht. Mittlerweile haben wir alles versucht unsere Sucht einzudämmen. Wir waren sogar in den USA um uns dort helfen zu lassen. Doch wir fanden auch dort viele, viele "Square Dance Yunkies" die ihre Sucht in Kellern, Scheunen und sogar inmitten von Kirchen auslebten. Im Gegensatz zu den Abhängigen in Deutschland, sind in Amerika die meisten Tänzer etwas älter und tanzen schon 30-40 Jahre. Ein beruhigendes Gefühl, dass man trotz der Abhängigkeit alt werden kann und keine gesundheitlichen Probleme zu befürchten hat. Bei allen Tänzen, die wir in Amerika besucht haben, wurden uns immer wieder die gleichen Fragen gestellt : Wie häufig habt Ihr Therapie-Stunden, spricht und singt Euer Therapie-Leiter (Caller) auch in Englisch und gibt es viele von Euch in "good old Germany"!

Ich kann nur sagen, es gibt wirklich viele Abhängige und damit meine ich richtig viele! Wir haben in den letzten 3 Monaten mehr als 25 Treffen von Süchtigen in anderen Städten besucht, im In- und Ausland. Immer wurden wir herzlichst empfangen und man konnte sich in unsere Lage versetzen. Ein tolles Gefühl, man wird so akzeptiert wie man ist. Volles Verständnis , keine mahnenden Zeigefinger!

Unsere Körper haben sich an das veränderte Leben mittlerweile angepasst. 3-4 mal die Woche wird getanzt, mal in den eigenen Reihen, mal in anderen Städten. Wird die Zeit zwischen den Tänzen zu lang, machen sich Symptome breit : man wird unruhig, man fängt an in Gesprächen kleine "calls" einzubauen, zucken der Beine und wenn man auf eine Menschenmenge stösst, gruppiert man diese im Stillen in Achtergruppen.

Nun gibt es aber eine neue Erfahrung, die mir etwas Angst macht, ja, vielleicht begehe ich bzw. wir Süchtigen damit sogar eine Straftat. Ich bin mir da noch nicht ganz sicher. Wir haben im Fernsehen, Radio und in der Zeitung Aufrufe gestartet uns bei unseren "Therapie-Sitzungen" zu besuchen. 14 folgten dem Aufruf. Statt von unser Sucht zu warnen und zu erzählen, was sich für uns alles verändert hat, was machen wir? Wir sind euphorisch und laden zum mitmachen ein. Einfach so und noch nicht einmal mit einem schlechten Gewissen. Ironisch, dass man der Sucht verfallene Square Dancer als "Angel" bezeichnet; Teufel wäre schon zutreffender. Man kommt sich ein wenig wie ein Dealer vor, der Gratisproben verteilt. Und auf den ein oder anderen "Neuen" ist der Virus auch schon übergesprungen und vielleicht werden wir die neuen "Students" auch mal zu den Therapiestunden einladen.

Jetzt wird erst einmal wieder das Internet durchforstet, wo man und wann man seine Sucht therapieren kann. Witzig ist noch eine Tatsache; ich erwähte bereits, dass wir auch in anderen Städten tanzen, wo wir uns natürlich nicht als Abhängige sofort zu erkennen geben. Natürlich merken die anderen Tänzer sehr schnell, dass wir der Sucht verfallen sind und auch Ihr Therapeut es nicht schaffen wird uns zu heilen. Darum bekommen wir von dem Verein dann eine kleine Plakette (Dangle) die wir ab sofort immer tragen müssen. Ein Zeichen, das die Therapie erfolglos war. Weiterhin gibt es noch einen Eintrag in unser Therapiebuch. Wenn man dann mehr als 26 Einträge in dem Buch hat muss es eingeschickt werden und man bekommt vom Europäischen Square Dance Dachverband eine besondere Plakette, die die schwere der Sucht bestätigt. Ich glaube, das man diese Unterschriften und Abzeichen auch bei der Krankenkasse vorlegen kann um Zuschüsse zu bekommen. Aber da müssen wir uns nochmal belesen.

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