Wieder ist ein Jahr vergangen. Zeiten ändern sich, aber die Sucht bleibt. Die Umstände haben sich verändert, die schwere der Sucht, sowie die Art und Weise wie wir mit ihr umgehen. Wir haben viele Therapiestunden besucht und haben mittlerweile auch die Bescheinigung, dass normale Therapien nicht mehr anschlagen und somit vermehrt Therapeuten aufgesucht werden müssen, die spezialle Methodiken entwickelt haben (sogenannte Plus-Therapien) und seit kurzen besuchen wir einen neuen Lehrgang zum Erlernen der A1-Therapie, einem neumodischen Schnickschnack von dem wir uns nicht wirklich Besserung versprechen.

Ich selbst habe einen weiteren Weg gefunden mit meiner Abhängigkeit fertig zu werden. Ich bin Therapeut geworden. Erst war es etwas zaghaft, aber dann habe ich die Möglichkeit bekommen regelmässig Sonntags in aller Frühe einer Gruppe freiwilliger Therapieteilnehmer meine Hilfe anzubieten. Das war vor ca. 9 Monaten. Mittlerweile habe ich eine feste Therapiegruppe in Bergisch Gladbach und alle 2 Wochen in Essen. Es ist schön zu Sehen, dass sich Tänzer Ihrer Sucht stellen, sich nicht einfach verstecken, sondern an die Öffentlichkeit gehen und den Kontakt mit nicht infizierten suchen. Manche tuen dies um einen Weg zu finden sich im normalen Leben wieder zurecht zu finden, andere mit der Absicht die Zahl der Süchtigen weiter zu erhöhen. Ich als Therapeut kann das zwar offiziell nicht gut heissen, aber insgeheim sichert es mir meinen Zweit-Arbeitsplatz.

Hin und wieder gerät man auch an Personen die scheinbar immun gegen die Squaredance Sucht sind. Hoffentlich ist dies nur auf einen Gendefekt zurück zuführen, andernfalls würde es bestimmt über kurz oder lang einen Impfstoff geben. Auf der einen Seite hört sich das gut an, aber wie man ja weiss, hat jede Wirkung eine Gegenwirkung. Wer weiss schon, was für Kapriolen sich die Natur dann noch so einfallen lässt. Und unter uns gesprochen; letztendlich tut einem Aussenstehenden unsere Sucht nicht weh, und uns selbst schadet Sie gesundheitlich nicht mehr als andere Hobbys. Im Gegenteil, so fördert sie doch einige soziale Fähigkeiten. In Zeiten wo immer mehr Leute, besonders Junge, Ihre Zeit lieber an Computern, Spielekonsolen und mit SMS schreiben verbringen, treffen wir uns in der realen Welt, kommunizieren miteinander, Bewegen uns zur Musik und manchmal sitzen wir nach der Therapie noch lange zusammen, um unsere Probleme und Erfahrungen mit den anderen Süchtigen zu teilen.

Wo der Weg hingeht kann keiner vorhersagen, aber ich kann sagen, dass diese Sucht, so hartnäckig und schwer zu bekämpfen sie auch sein mag, mein Leben bereichert hat. Immer wieder höre ich von Personen die nach der Arbeit nach Hause kommen und Stunde für Stunde über ihre Arbeit grübeln. Ich gehe zu einem Treffen der Squaredancesüchtigen oder berufe als Therapeut eine Sitzung ein. Danach fühle ich mich hervorragend, denke nicht mehr über meine Arbeit nach und habe einen gesegneten Schlaf. So bin ich auch am nächsten Tag wieder bereit für meine Arbeit.

Hoffentlich merken das irgendwann die Leutchen in den höheren Etagen und unterstützen uns etwas mehr. Auf der anderen Seite wäre es dann ja auch gar nicht so abwägig eine Gewerkschaft zu gründen die regelmässiges Squaredancen während der Arbeitszeit fordert. Aber vielleicht ist die Menschheit daftür noch nicht bereit.

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